Einleitung

1. Pauschalreise

Eine Kreuzfahrt ist eine Pauschalreise i.S.d. § 651a ff BGB, d.h. es wird zwischen dem Reisenden (Passagier) und dem Reiseanbieter (Reiseveranstalter) ein Reisevertrag abgeschlossen[1]. Zwar setzt ein Reisevertrag eine Gesamtheit von Reiseleistungen, d.h. eine Bündelung von mindestens zwei Hauptleistungen, voraus, also etwa die klassische Verbindung von Beförderung (Flug) und Unterkunft (Hotel), jedoch ist dieses bei einer Kreuzfahrt, auch bei einer Eigenanreise des Passagiers zum Schiff, stets gegeben, da bereits die Beförderung und Unterkunft auf dem Schiff und das Aufenthaltsprogramm an Bord, das sich aus Verpflegung und Unterhaltung zusammensetzt, als Reisepaket zu bewerten ist.
Selbst für Fährschiffe beworbene „Mini-Kreuzfahrten“ von 1-2 Tagen sind als Pauschalreisen einzustufen, da dem Passagier neben der Fahrt von einem Hafen zum nächsten Stopp auch ein Zusatzprogramm (Unterhaltung an Bord, Landausflüge u.a.) angeboten wird[2].
Ebenso ist auch eine Rundreise auf einem Frachtschiff eine Pauschalreise[3]. 
Nicht nur der klassische Reiseveranstalter kann Vertragspartner des Reisekunden sein, sondern beispielsweise auch die Reederei, wenn sie Direktbuchungen ihrer Kreuzfahrten durch Urlauber ermöglicht und somit selbst zum Reiseveranstalter wird.

2. Ansprüche des Passagiers

Auf Kreuzfahrten können sich bei Reisemängeln Gewährleistungsansprüche aus dem Reisevertragsrecht sowie weitergehende Schadensersatzansprüche für den Urlauber ergeben.
Den Reisenden stehen je nach Fallkonstellation neben einem Anspruch auf Reisepreisminderung ggf. auch die Möglichkeit der Kündigung des Reisevertrages, vertragliche und deliktische Schadensersatzansprüche, Schadensersatz wegen vertaner Urlaubszeit und auch ein Schmerzensgeldanspruch zu[4].
Umgekehrt muss sich ein Reisekunde aber auch in vielen Fällen entgegenhalten lassen, dass es sich bei den von ihm beanstandeten Beeinträchtigungen oder Schadensfällen um hinzunehmende Unannehmlichkeiten[5] oder um die Verwirklichung des allgemeinen Lebensrisikos[6] handelt, so dass der Reiseveranstalter keine Haftung zu übernehmen hat.

3. Berechnung einer Preisminderung

Liegen objektiv gesehen Reisemängel vor, kann der Preis für die Kreuzfahrt nach § 651m I BGB gemindert werden.
Als Bezugsgröße zur Berechnung einer Preisminderung ist der Gesamtreisepreis der Pauschalreise heranzuziehen, auch wenn nur ein Teil der Reise von den Reisemängeln betroffen ist[7].
Einzelne Bestandteile des Reisepreises, etwa Flugleistungen für die Anreise zum Schiff oder den Rückflug, sind nicht herauszurechnen[8].
Der Reisekunde kauft ein Gesamtpaket an Reiseleistungen ein und bei einer teilweisen Beeinträchtigung erfährt dieses Reisepaket als Ganzes eine Wertminderung, da der Reisende seine Verärgerung darüber, oder auch mögliche körperliche und seelische Schäden, nicht auf einen abtrennbaren Teil der Reise beschränken kann und will. Letztendlich spricht auch der klare Gesetzeswortlaut für diese Vorgehensweise, da § 651m I BGB vom Gesamtreisepreis und nicht vom anteiligen Reisepreis ausgeht[9].
Sind nur einzelne Tage einer Kreuzfahrt mangelhaft, wird eine jeweilige Minderung des anteiligen Tagesreisepreises vorgenommen[10], der sich aus dem Gesamtreisepreis dividiert durch die Anzahl der Reisetage errechnet; die Berechnung der Reisetage erfolgt nach überwiegender Ansicht nach der Anzahl der Übernachtungen[11].

4. Würzburger Tabelle als Orientierungshilfe

Die Würzburger Tabelle zeigt reiserechtliche Probleme bei Kreuzfahrten und Anhaltspunkte für die Bearbeitung entsprechender Reklamationsfälle auf. Neben den aufgeführten Fällen in der Würzburger Tabelle sind auch andere reiserechtliche Tabellen bei der Problemlösung dienlich, z.B. die „Kemptener Reisemängeltabelle“,[12] die „ADAC-Tabelle zur Preisminderung bei Reisemängeln“[13] oder die „Frankfurter Tabelle zur Reisepreisminderung“,[14] die sich alle u.a. umfangreich mit Unterkunftsproblemen in Hotelanlagen befassen und diese Fälle entsprechend auf Kreuzfahrtreisen übertragen werden können.
Grundsätzlich gilt dabei aber, dass eine Tabelle lediglich als Orientierungshilfe dienen kann.
Weder für Gerichte noch für Reiseveranstalter sind die reiserechtlichen Tabellen bindend.
Jeder Fall eines Reisenden bedarf unter Heranziehung der Beeinträchtigungsschwere, eines möglichen Schadensverlaufes und insbesondere auch der besonderen Reiseart, einer einzelfallbezogenen Bewertung. So muss beispielsweise der Ausfall eines abendlichen Animationsprogramms auf einem Kreuzfahrtschiff zu einem höheren Minderungsgrad führen, als die nach den Tabellen angegebenen Minderungswerte beim Ausfall entsprechender Programmpunkte in einem Hotel, da bei einem Hotelaufenthalt für den Reisenden die Möglichkeit gegeben ist, außerhalb der Anlage Unterhaltungsmöglichkeiten zu finden, d.h. Selbstabhilfe vornehmen zu können.
Noch deutlicher wird die Notwendigkeit einer unterschiedlichen Bewertung, wenn es zu einem Problem mit einem gebuchten Zimmer bzw. einer gebuchten Kabine kommt.
Wird einem Hotelgast z.B. ersatzweise ein Zimmer ohne den mitgebuchten Balkon angeboten, ist eine Preisminderung von 5-10%[15] berechtigt. Bei einer Kreuzfahrt hingegen hat eine gebuchte Balkonkabine einen viel höheren Stellenwert und ist höherwertiger als eine Meerblickkabine[16], so dass bei einer vertragswidrigen Unterbringung ohne Balkon, d.h. in einer Innenkabine oder Außenkabine nur mit Fenster, eine Minderung nicht nur wesentlich höher ausfallen muss, sondern bei diesem Reisemangel auch die Möglichkeit der Kündigung des Reisevertrages wegen eines Reisemangels gem. § 651l I BGB gegeben ist[17], da eine erhebliche Beeinträchtigung der Reiseleistung vorliegt.

 

[1]     BGH v. 18.12.2012 – X ZR 2/12, RRa 2013, 108 ff.; LG Bonn v. 23.8.2016 – 8 S 5/16;  LG Frankfurt/M. v. 8.11.2013 – 2/24 O 33/13; AG Bremen v. 3.4.2020, Az. 8 C 43/20; AG Stuttgart v. 13.10.2020, Az. 3 C 2559/20, NJW-RR 2021, 53 f.
[2]     Ebenso Führich/Staudinger, Reiserecht, 9. Aufl. 2024, § 5, Rz.21.; Kein Reisevertrag aber, wenn eine Fährverbindung gebucht wird, bei der auch eine Kabine zur Übernachtung hinzugebucht wird, AG München v. 30.6.2016 – 213 C 3921/16, NJW-RR 2016, 1145 f.
[3]     EuGH v. 7.12.2010 – Rs. C-585/08 und C-144/09, NJW 2011, 505 ff. = RRa 2011, 12 ff.; BGH v. 18.12.2012 – X ZR 2/12, RRa 2013, 108 ff.; AG Hamburg-Altona v. 16.5.2006 – 316 C 19/06, RRa 2006, 221 ff.
[4]     Hierzu ausführlich Rodegra, NJW 2011, 1766 ff.
[5]     Hierzu ausführlich Rodegra, MDR 2012, 681 ff.
[6]     Hierzu ausführlich Rodegra, NJW 2012, 3546 ff.
[7]     Vgl. LG Dortmund v. 24.8.2007 – 17 S 45/07; AG Köln v. 13.9.2021 – 133 C 611/20; AG Rostock v. 28.1.2015 – 47 C 181/14, RRa 2016, 11 ff.; AG München v. 14.1.2010 – 281 C 21292/09, RRa 2010, 186 f.
[8]     Vgl. BGH v. 14.5.2013 – X ZR 15/11, NJW 2013, 3170 ff; AG Hannover v. 20.1.2021 – 552 C 7861/20, NJW-RR 2021, 563 f.
[9]     Ebenso LG Frankfurt/M. v. 24.11.2016 – 2/24 S 95/16; LG Dortmund v. 24.8.2007 – 17 S 45/07, RRa 2008, 114 ff.; AG Köln v. 13.9.2021 – 133 C 611/20; AG Rostock v. 28.1.2015 – 47 C 181/14, RRa 2016, 11 ff.
[10]    Vgl. LG Koblenz v. 7.11.2016 – 2 S 28/15; LG Bonn v. 26.8.2008 – 8 S 24/08, RRa 2008, 275 f.; AG Köln v. 27.11.2017 – 142 C 601/16; AG Köln v. 27.6.2016 – 142 C 67/16; AG Rostock v. 28.1.2015 – 47 C 181/14, RRa 2016, 11 ff.; AG Hannover v. 11.7.2013 – 506 C 4263/13, NJW-RR 2014, 169 ff.; AG Hamburg v. 4.6.2003 – 10 C 60/03; RRa 2003, 226 f.
[11]    LG Frankfurt v. 26.7.2010 – 2/24 S 135/09, RRa 2011, 114 ff.; LG Düsseldorf v. 8.4.2016 – 22 S 311/15 (bestätigt BGH v. 21.2.2017 – X ZR 49/16, MDR 2017, 565 f.); LG Koblenz v. 7.11.2016 – 2 S 28/15; LG Frankfurt/M. v. 10.11.2016 – 2/24 O 111/15, NJW 2017, 294 ff; LG Frankfurt/M., 19.6.2019 – 2/24 O 20/19; LG Frankfurt/M. v. 27.10.2022 – 2/24 O 13/22; AG Erkelenz v. 27.1.2003 – 14 C 464/03, RRa 2004, 71f.; AG Duisburg v. 9.7.2012 – 71 C 1784/12, RRa 2012, 226 f.; AG Rostock v. 3.8.2016 – 47 C 103/16, RRa 2017, 122 ff.; AG München v. 18.12.2018 – 114 C 7166/18; AG Bad Homburg v. 30.1.2019 – 2 C 2488/17-28, RRa 2019, 159 ff.; AG Hannover v. 20.1.2021 – 552 C 7861/20, NJW-RR 2021, 563 f.; AG Köln v. 13.9.2021 – 133 C 611/20, RRa 2022, 191 ff.; a.A. Anzahl der tatsächlichen Reisetage: LG Hannover v. 18.7.2019 – 8 O 147/18, RRa 2020, 66 ff; AG München v. 7.11.2017 – 172 C 15107/17, RRa 2018, 169 ff.; AG Kiel v. 29.5.2018 – 110 C 120/17, RRa 2020, 179 ff.; ausführlich zur Berechnung des Tagesreisepreises Rodegra, NJW 2024, 623 f.
[12]    Abgedruckt bei Führich/Staudinger, Fn.2, S. 1237 ff.
[13]    www.adac.de, Rubrik: Reise&Freizeit, Ratgeber / Reiserecht
[14]    NJW 1985, 113 ff. mit Ergänzung NJW 1994, 1639 ff.
[15]    Frankfurter Tabelle zur Reisepreisminderung, Fn.14; AG Duisburg v. 21.5.2003 – 33 C 6013/02, RRa 2003, 224 (10%); AG Hannover v. 9.8.2019 – 539 C 2462/19, RRa 2020, 86 ff.
[16]   Vgl. AG Rostock v. 25.11.2016 – 47 C 153/16, RRa 2017, 258 ff.
[17]   Vgl. AG Frankfurt/M. v. 24.8.2016 – 386 C 3186/15-80